Liebe geht durch den Magen. Dieser Spruch mag abgedroschen kingen, fällt jedoch als Erstes ein, wenn man sich das Melodrama „L´elisir d´amore“, das seit dem 17.November in der Oper Graz spielt, ansieht. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Titel „der Liebestrank“. Dessen Rezept bewahrt der Scharlatan Dulcamara (Wilfried Zelinka), der naiven Nemorino (Abdellah Lasri) dafür um sein einziges Geld betrügt.
Trotzreaktionen und Rollenspielchen im Kindergarten für "Erwachsene"
Nemorino ist in die schöne Adina (Nazanin Ezazi), die nur Stroh im Kopf hat, verliebt. Sie spielt mit Männern, verführt und verlässt sie dann. Sie nennt es „sich jeden Tag aufs Neue zu verlieben“. Sie genießt diese Macht über die Männer, denn sie macht sie unverletzlich. Sie will keine Gefühle spüren, sie will nicht verliebt sein. Kein Mann geht an ihr vorbei.
Nemorino leidet, fällt zu Adinas Füßen und wird von ihr verstoßen. Sie rät ihm dazu, sie zu vergessen, seine Liebe aufzugeben, denn er hofft vergeblich. In seiner Verzweiflung nimmt er mit blindem Vertrauen das Angebot eines Zaubertranks an. Überzeugt davon, dass seine Geliebte ihm schon am nächsten Tag in seine Armen lauften wird, bleibt er gleichgültig, sogar heiter und spottend über Adinas trotzige Entscheidung, Sergeant Belcone (André Schuen) in sechs Tagen zu heiraten. Und als Nemorino auf ihre Spielchen nicht mehr einfällt, reizt es sie, ihn wieder für sich zu erobern.
In „L´elisir d´amore“ wird diese Frau als Prostituierte dargestellt. Ziel ihres Verhaltens ist Anerkennung, Status oder Geld. Nicht zuletzt unterstreicht die groteske Inszenierung von Damiano Michieletto, die im ersten Akt auf einem Strand neben der Bar „Adina“, im zweiten auf einer Luftrutsche, die mit Seifenblasen gefüllt wurde, abspielt. Kindisch und unseriös wird die Darstellung der Hauptfiguren von einer Zuschauerin bezeichnet. Man fühlt sich als Erwachsener wie in einem Kindergarten, wo es nicht mehr um große Gefühle und Emotionen, sondern um Trotzreaktionen und „ich-bin-die-Erste-ich-bin-die-Beste“-Spielchen geht. Auch die Kleider von Adina, die im ersten Akt mit Rüschen in Blau-Grün und im zweiten Akt mit Pailletten bestückt sind, sprechen weniger vom Erwachsensein, betonen umso mehr Naivität der Geschehnisse auf der Bühne.
Ohne Alkohol und Drogen kommen Gefühle nicht heraus
Eigentlich geht es in dem Melodrama „L´elisir d´amore“ um nichts anderes, als um menschiche Unfähigkeit, eigene Gefühle zu zeigen und zu diesen offen zu stehen. Der "Liebestrank" ist hier eine große Metapher. Ausschließlich mithilfe von Drogen, Alkohol, Zigarette oder sonstigen Erheiterungsmitteln kann man Verkrampfungen, Ängste, Unsicherheiten bewältigen. Doch dann ist es wohl erst vorbei mit der Liebe. Denn was spürt ein voll Betrunkener (und das nicht von der Liebe) außer Übelkeit, Gleichgewichtverlust und Müdigkeit?
Obwohl man sich von einem Melodrama ein tragisches Ende mit einem Versprechen einer ewigen Trennung, einem tragischen Tod etc. erwartet, geht das Melodrama „L´elisir d´amore „ relativ positiv aus. Ein lang ersehnter anhaltender Kuss sorgt für Happy End-Stimmung, der Rivale ist durch eine neue „Liebe“ besänftigt. Taschentücher-Erzeugungsfirmen dürften sich über Klingeln in den Kassen freuen.
Nachdem Adina das Angebot von Dulcamara (Wilfried Zelinka) abweist, wird sie das Abbild eines Menschen, der sich seinen Gefühlen stellt. Sie will keine „Betäubungsmittel“, sondern sie will authentisch, sie selbst sein und Nemorinos Herz mit einem Lächeln und einem fröhlichen Gesicht wieder gewinnen.
„L´elisir d´amore" ist ein Melodrama, das eine Sicht auf Drogen- und Alkoholproblematik und damit einhergehende Unsicherheitsprobleme und Angststörungen spottend darstellt.
Eine perfekte Parodie auf das Dilemma einer Mann-Frau-Beziehung
Eine Zuseherin bezeichnet die Darstellung einer Frau, einer Beziehung, einer Liebe im Melodrama "L´elisir d´amore" als lebensunfähig. So etwas kommt nie im realen Leben vor. Doch kann man das Melodrama nicht als perfekte Anspielung auf uns selbst und die Lächerlichkeit unserer oft aus Trotz getroffenen Entscheidungen bezeichnen? Überlegenswert ist es, wie viele Entscheidungen aufgrund unserer betroffenen, beleidigten, nicht erhörten Gefühlen getroffen werden. In einem Mann wird ein Bubi-Auftreten über die Männlichkeit geschätzt, denn einen Mann will man hüten und sich um ihn kümmern wie um ein Kind. Und Frauen sind launische und trotzige Naturen, die es schwer haben, ihre Wünsche direkt und sofort zu äußern und ihre Gefühle ehrlich auszusprechen. "Der Liebestrank" ist eine perfekte Parodie auf das Liebesleben von Salzach.
Das Publikum zeigte zumeist seine Begeisterung durch anhaltenden Applaus und lautes Pfeifen.
vs
Fotos: Werner Kmetitsch