Man lebt nur einmal. Jedoch wie sollte man diese eigene Zeit am besten verwenden? Mit vollem Genuss und alles auskostend? Gierig die eigenen Wünsche und Bedürfnisse befriedigen? Denn am Ende steht man nur vor dem eigenen Gericht: vor dem des eigenen Gewissens. Und sollte es einem, der sein Leben genossen hat, dafür aber über Leichen gegangen ist, dafür peinlich sein? Gibt es einen Lebensgenuss um jeden Preis? Dieses Thema wurde unter anderem bei der Premiere des Stückes "Baal" (Regie Thomas Sobotka) hinterfragt. Es gibt von der Fabel her keine schlechten Geschichten. Wohl aber gibt es Geschichten, die schlecht erzählt sind. Kennt man Bertold Brecht und seine Werke nicht, fällt dann ein unbedarfter Besucher einer Brecht-Aufführung mit seinem epischen Theater der eigenen literarischen Unkenntnis zum Opfer?
Der Zuschauerraum im Hof der Universität Graz erweckte gerade nicht das Gefühl einer groß angekündigten, ausverkauften Premiere. Die 82 Plastikstühle und 20 weißen Sitzsäcke machten einen eher leeren Eindruck. (Anm.: Die Anzahl der Sitzgelegenheiten entspricht der feuerpolizeilichen Höchstgrenze)
Was die Inszenierung selbst anging, so konnte man den fünf Talenten von dem Theater „t'eig“ - Karin Gschiel, Alexander Koch, Mona Kospach, Ninja Reichert, Christian Ruck - zwei Dinge nicht absprechen: Kreativität und Professionalität. Allein schon die Bespielung des ganzen Innenhofes der Karl-Franzens-Universität in der Art einer Wanderbühne, sehr originelle Kostüme (wie das Kleid von Emmi, das nur aus Perlen bestand) und das volle Engagement beim Spielen zeugen davon. Es war die gesprochene Sprache, die die Stimmung umschlagen ließ. Denn vom gesamten Geschehen konnte man vor allem akustisch kaum etwas verstehen. Lag es an der Sprache Bertold Brechts? Zusätzlich ist zu fragen: Sollte eine dramatische Form auf der Bühne durch eine Erzählform ersetzt werden? Hin und wieder merkte man, welch großen Wert ein gut gespieltes und klar gesprochenes Stück hat.
Die Truppe, die unserem Online-Frauenmagazin noch bei einer Inszenierung im vorigen Jahr im Rahmen von La Strada positiv aufgefallen ist, hat diesmal eklatant weniger für Begeisterung gesorgt. Es brach so manches Lachen immer wieder die Stille des Universitätshofes durch und zum Schluss kam ein Applaus auf.
Nachdem meine Kollegin die Inhalte des Werkes "Baal" durchgelesen hat, wurde ihr Interesse an dem Inhalt stark geweckt.
Ob es die Schauspieler, der Regisseur, der durch seine zahlreichen kreativen und professionelle Werke mehrmals sein großes Theater-Talent bewiesen hat, die Eigenart Bertold Brechts oder die späte Stunde war … die Aufführung im Uni-Hof blieb ein laues Sommernachtslüfterl. Aber es hat immerhin bewirkt, dass wir lange darüber diskutiert haben.
Varvara Shcherbak
Fotos: Gansberger/ Lipp