„Man hat uns denunziert“
Bereits einer der ersten Sätze weckt Erinnerungen hervor – an die eigene Schultheatervorführung vor mehr als 20 Jahren.
Ich war gespannt, Nicolai Gogols 1835 entstandene Komödie über die Korruption in einer russischen Kleinstadt nun aus der anderen Perspektive zu sehen – von der Loge aus, in die uns der Chefbilleteur des Volkstheaters höchstpersönlich begleitete.
Die Geschichte ist bekannt:
Voller Schrecken erfährt die Stadtregierung einer russischen Kleinstadt, dass ein Revisor erwartet wird. Ein bereits seit Tagen verweilender Durchreisender wird fälschlicherweise für den hohen Beamten gehalten, weswegen ihm von allen Seiten Geld und verlogene Zuneigung geschenkt wird, da es sich jeder einzelne mit ihm gut stellen will. Der Durchreisende spielt bei diesem Spiel mit, nimmt Geschenke entgegen und verlobt sich sogar mit der Tochter des Bürgermeisters, bevor er wieder abreist. In einem missbräuchlich geöffneten Brief liest die Stadtregierung, wie der vermeintliche Revisor die Dummheit der einzelnen Stadtbewohner beschreibt. Während gleichzeitig der echte Revisor in der Stadt angekommen ist..
Sonst ist alles anders:
Das Bühnenbild ist eine steile Treppe, die Schauspieler sind in langen Unterhosen bekleidet und fratzenhaft geschminkt, was die Widerlichkeit ihrer Handlungen perfekt unterstreicht.
Die beiden Frauen, Gattin und Tochter des Bürgermeisters, werden als triebhafte Frauen mit drallen Brüsten dargestellt, die genau wissen, was sie wollen. Macht verführt - und schon muss sich der Herr der Schöpfung gar nicht mehr bemühen. Mutter wie Tochter, sind von der Macht fasziniert. Beide lassen den vermeintlichen Revisor im wahrsten Sinne des Wortes unter den Rock.
Soviel Sexualität war in unserer Schulaufführung nicht einmal ansatzweise erkennbar.
Die Tochter lässt sich in Siegerpose zu ihrer Verlobung beglückwünschen. Die Mutter ist geehrt, stolz, oder doch auch erfreut, bald einen jungen Liebhaber im Haus zu haben? Die Glückwünsche und Geschenke gehen an den Vater, der jetzt in der bedeutsamen Position sitzt, direkten Kontakt zum Revisor zu haben – und schon wird der nächste bestochen…
80 Minuten, die wie im Flug vergehen.
Das Publikum ist begeistert – tosender Applaus.
Normalerweise genieße ich die Pausen im Theater - zum Sinnieren, Flanieren, Beobachten. Dieses Stück allerdings, von Regisseur Thomas Schulte-Michels schnell, grell und bunt inszeniert, profitiert von der Kompaktheit ohne Pause.
Keine Längen, keine Langeweile – und danach ist es früh genug, um in der Roten Bar noch ein gefülltes Jourgebäck und ein Hollunder-Soda zu genießen.
Elena, 9 Jahre: