Die französische Oper nach der Textvorlage der Novelle von Prosper Mérimée handelt vom Soldaten Don Jóse, der sich von der Zigeunerin Carmen verführen lässt und durch sie in einem Strudel aus Eifersucht und unkontrollierbaren Gefühlen auf die schiefe Bahn und ihrem gemeinsamen Ende entgegen gerät – dem Ende ihres Lebens und dem endgültigen Ende seiner Würde und seines alten Ichs.
In der Musikgeschichte gilt Carmen als Vorbild des Realismus, besser gesagt des romantischen Realismus‘. Allerdings sollte man sich bei der Bezeichnung „Romantik“ Bizet’s Appell ins Gedächtnis rufen, nämlich, nicht Romantik mit Sentimentalismus zu vermischen und als billige Rahmenhandlung mitlaufen zu lassen – ganz nach dem Motto des französischen Frühromantikers Senancourt: „Die sentimentale Poesie verführt die lebhafte blumige Phantasie, nur wahre Romantik erreicht Seelen mit Tiefgang und echter Sensibilität“.
Die Inszinierung der Volksoper wurde diesen Ansprüchen gerecht und brachte mit dieser Vorstellung die Faszination Carmen der Öffentlichkeit, oder besser gesagt den Auserwählten, die sich noch eine Karte ergattern konnten, auf eine durchaus mitreißende und sehr unterhaltsame Art und Weise näher.
Besonders interessant bei Carmen sind die Frauengestalten. Zum einen Micaela, das unschuldige/unverdorbene, schüchterne Mädchen vom Land - wenn es nach Don Jose's Mutter ginge, seine Frau fürs Leben. Zum anderen Carmen als krassen Gegensatz dazu. Sie liebt es augenscheinlich, mit den Männern zu spielen und alle Blicke auf sich zu ziehen, doch ihre Freiheit ist für sie das Wichtigste. Es scheint einem so, als ob ihr das Gefühl, nicht das steuernde Element und der Mittelpunkt zu sein, Angst macht. Ihr Lebensstil folgt dem Motto - "gib nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben".
Carmen in der Volksoper Wien – eine gelungene Vorführung von Georges Bizet’s Opéra comique, jedoch mit ein paar Kritikpunkten. Adrineh Simonian konnte in der Rolle der Carmen zwar schauspielerisch, aber nicht stimmlich überzeugen. Obwohl das zu Beginn eher weniger vorhandene Klangvolumens von Akt zu Akt zunahm, fehlte der Stimme trotz allem die Intensität, gewürzt mit einer Prise Selbstbewusstsein, Feuer und Präsenz, die man sich von einer Carmen gewünscht hätte. Mag sein, dass sie das alles besitzt, doch es war wenig hör- und spürbar. Schade, denn Carmen wurde so nicht nur von ihren beiden Freundinnen Frasquita (Andrea Bogner) und Mercedes (Manuela Leonhartsberger), sondern auch von Micaela (Caroline Melzer), dem schüchternen Mädchen vom Lande, stimmlich in den Schatten gestellt.
Weiters mutete der Todesstoß am Ende ein wenig unrealistisch an. Nicht ganz passend zu den dramatischen Szenen, die sich davor abgespielt hatten, schien Carmen sich am Ende direkt in Don José’s (gesungen von Arnold Rutkowski) Messer zu werfen – eher ein suizidaler Akt, als die Bluttat eines verzweifelten Mannes (das Arnold Rutkowski den vor Eifersucht Rasenden, der zu allem bereit ist besser darstellen kann, konnte man im dritten Akt bewundern).
Besonders überzeugend wirkte Eglis Silins in seiner Rolle als Stierkämpfer Escamillo – er ist sich seiner Männlichkeit, Wirkung und Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht durchaus bewusst und trotzdem wirbt er um Carmen, wenn auch auf seine Art.
Das Orchester, dirigiert von Julia Jones, bildete einen würdigen Rahmen für die Geschehnisse im südspanischen Sevilla und machte es so dem Zuschauer nicht schwer, sich von den Darbietungen mitreißen zu lassen.
MirjamG