Ein weißer, starrer Eisberg. Menschen, die in schwarze Trauerkleider gehüllt sind. Und in der Luft schwebt ein depressives Gefühl - das Gefühl des Verlustes, der Einsamkeit.
Nein, es handelt sich nicht um eine der dramatischen Szenen, die sich im Film "Titanic" abspielen - vielmehr beginnt so die Premiere von "Der einsame Weg" am 10.01.2013 auf der Hauptbühne des Schauspielhauses Graz.
Positive Beispiele sind es, die uns bewegen, begeistern, uns Hoffnung und Kraft dazu geben, uns mehr Mühe beim Erreichen unserer Ziele zu geben. Doch von solchen wird im Stück "Der einsame Weg" (Regie Ingo Berk) nicht erzählt. Stattdessen werden einem vollem Zuschauersaal im Schauspielhaus Graz Geschichten menschlichen Versagens, Aufopferung, Verzweiflung und Lügereien vorgeführt. Und als Happy End: Felix (Christoph Rothenbuchner), der vergessene Sohn, verstoßt seinen biologischen Vater, den gescheiterten Künstler Julian Fichtner (Franz Xaver Zach), und wendet sich liebevoll seinem Stiefvater, Wegrat (Gerhard Balluch), der seinen Platz in der Gesellschaft als Familienvater und Akademieprofessor gefunden hat, zu.
"Vater", sagt Felix. "Dieses Wort habe ich so noch nie von dir gehört.", erwidert Wegrat, dem von seiner Frau, Felix' Mutter, Glauben gemacht wurde, er wäre der leibliche Vater von Felix. Durch diese Szene stellt Arthur Schnizler das Thema "Adoption" zur Diskussion.
Jeder ist frei, zu entscheiden, ob er für Adoption ist oder nicht, nichtsdestotrotz ist es eine Tatsache, dass man die Biologie nicht betrügen kann. Arthur Schnitzler setzt sich über diese Tatsache hinweg, indem er einem Ziehvater eine höhere Rolle im Leben des Sohnes zuschreibt. Vater ist nicht derjenige, der einem Kind das Leben geschenkt hat, sondern der Ziehvater, der dem Sohn durch Ermöglichung einer Ausbildung und Mann-Werdung eine Erziehung zukommen ließ. So vermittelt es uns der Autor des Stückes "Der einsame Weg".
Wegrat lebt in dem Glauben, Felix sei sein Sohn. Zur gleichen Zeit verschlingt das Teichwasser vor der Villa seines Freundes, des Ex-Offiziers Stephan von Sala, seine einzige Tochter, Johanna (Pia Luise Händler) - denn Johanna bringt sich um. Warum? Wegen einer unerwiderten Liebe zum todkranken Stephan von Sala (Stefan Suske). Ihre Hilferufe nimmt niemand wahr - sie musste unter Unbekannten leben, die nie gelernt haben, ihre Gefühle zu zeigen.
Julian Fichtner, der Vater von Felix, kommt nach seiner Flucht von Freiheitsängsten in eine weite unbekannte einsame Welt zurück zu seinem vergessenen Kind, das bereits ein erwachsener Mann ist. Er will mit seinem Sohn Felix, der bis dahin von seiner Existenz nichts weiß, einen Menschen an seiner Seite haben, der ihn bei seinen Tiefen und Höhen begleitet, ihm beisteht. Doch auch vor ihm erstrahlt der einsame Weg.
Im Theaterstück "Der einsame Weg" gibt es keine glücklichen Bilder. Alles inklusive dem Bühnenbild (Damian Hitz) und den Kostümen (Eva Krämer) vermittelt ein verzweifeltes, düsteres Gefühl. Diese Menschen haben schon längst jede Hoffnung aufgegeben, sind emotional tot.
Arthur Schnitzler zeigt uns, wie der Lebensweg jedes einzelnen aussieht: Man ist selbst für seine Taten und Entscheidungen verantwortlich. Und jeder muss seinen einsamen, besonderen Weg alleine gehen. Doch Menschen sehnen sich auch nach Verständnis, Zuwendung, suchen nach jemandem, der ihnen ihre Verantwortung abnimmt. Anstatt die eigenen Unsicherheiten zu bekämpfen, Verzweiflungen zu beseitigen, ein starkes "Ich" zu sei und zu den eigenen Entscheidungen zu stehen, flieht man, sei es durch Reise oder Freitod. Man stellt sich der Herausforderung nicht - und anstatt das Leben zu genießen, läuft man immer im Kreis, der im Endeffekt in einer Sackgasse endet.
"Der einsame Weg" wird ab dem 10.Jänner 2013 auf der Hauptbühne des Schauspielhauses Graz gespielt.
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Fotos: Lupi Spuma