23.03.2016 |
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Die feinen Herren Reinhard Eder und Mag. Primschitz
Sexistische Verspottung ist deren guter Ton!
Der Angeklagte Reinhard Eder hat Mag.N.N. mit der Aussage „Das ist sie schon gewöhnt“, als Zusatz zur Aussage des Mag. Anton Primschitz „Machen Sie die Beine nicht so breit“, verspottet.
"Machen Sie die Beine nicht so breit." " Das ist sie schon gewöhnt.“
[Bereitgestellt: 23.03.2016 12:35]
2 Bl 27/16f
REPUBLIK ÖSTERREICH
LANDESGERICHT FÜR STRAFSACHEN GRAZ
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesgericht für Strafsachen Graz als Berufungsgericht hat unter dem Vorsitz seines Vizepräsidenten HR Dr. Harald Friedrich sowie durch die weiteren Richter Ri.d.LG Mag. Stefan Koller (BE) und Ri.d.LG Mag. Andreas Rom in der Privatanklage-Strafsache der Privatanklägerin Mag.a N. N. gegen Reinhard Eder, geboren am 29. April 1944, wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Absatz 1 StGB über die Berufung der
Privatanklägerin Mag.a Klaudia N. , anwaltlich vertreten durch Dr. Johannes Eltz,
Rechtsanwalt in 1090 Wien, gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Graz-Ost vom
7. Oktober 2015, 217 U 345/14v - 24, gemäß § 470 Ziffer 3 StPO in nichtöffentlicher Sitzung
zu Recht erkannt:
Der Berufung der Privatanklägerin Mag.a N. N. wird wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes nach § 468 Absatz 1 Ziffer 4 iVm § 281 Absatz 1 Ziffer 9 lit a StPO Folge gegeben, das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Durchführung des Verfahrens und Entscheidung aufgetragen.
Mit ihrer weiteren Berufung wird die Privatanklägerin auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Bezirksgericht Graz-Ost den Angeklagten Reinhard Eder von der gegen ihn am 29. September 2014 eingebrachten Privatanklage, er habe am 19. September 2014 im Beisein von Mag. Anton Primschitz, RA Dr. Wolfgang Riha, Mag. (FH) Hirschbeck, Andrea Fischer und einem Mitarbeiter der Fa. Erich Guldenbrein, Tresor- und Schlüsseldienst Nachfolger Michael Guldenbrein, sowie zweier Polizeibeamten
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der Polizeiinspektion Schmiedgasse die Privatanklägerin im Haus 8010 Graz, Adresse, Top 8, 1. Stock, mit der Aussage „Das ist sie schon gewöhnt“, als Zusatz zur Aussage des Mag. Anton Primschitz „Machen Sie die Beine nicht so breit“, verspottet, gemäß § 259 Ziffer 3 StPO freigesprochen und der Privatanklägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Diesem Freispruch hat das Erstgericht folgende (entscheidungswesentliche) Feststellungen zu Grunde gelegt:
Der Angeklagte Reinhard Eder wurde am 29. April 1944 geboren, ist österreichischer Staatsbürger, Hausverwalter und wohnt in 8010 Graz, Hilmteichstraße 7. Die Strafregisterauskunft des Angeklagten Reinhard Eder weist keine Verurteilung auf. Der Angeklagte zählt zum Kreis der sogenannten „Wagnerianer“. Dies bedeutet, dass er Richard Wagner und dessen Werke verehrt, zu weiten Teilen auch auswendig kennt und somit öfters in Zitaten aus den Stücken Wagners spricht.
Der Angeklagte wollte sich am 19. September 2014 zusammen mit Mag. Anton Primschitz, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Riha und Mag. (FH) Werner Hirschbeck Zugang zur Wohnung Adresse, Top 8, 1. Stock, 8010 Graz, verschaffen, um dort eine Besichtigung durchzuführen. Die Privatanklägerin Mag.a N. N. hat den aufgezählten Personen den Zugang im Stiegenhaus verwehrt.
Ihrer Meinung nach ist der Angeklagte nicht Hausverwalter dieses Gebäudes und somit auch nicht befugt, Besichtigungen durchzuführen. Zwischen dem Angeklagten und der Privatanklägerin herrscht generell eine aufgeheizte Spannung, da diese schon jahrelang streiten und schon öfters gegeneinander prozessiert haben, sowie etliche Verfahren momentan anhängig sind.
Aufgrunddessen hat Mag. a N. N. auch verhältnismäßig schnell die Polizei gerufen. Ebenfalls war die Stimmung aufgrund der Vorgeschichten auch anfangs schon nervös und heizte sich schnell auf. In der Folge kam es zu verbalen Auseinandersetzungen und die Privatanklägerin hat sich, um ein Vorbeikommen der vier Herren zu verhindern, auf der Treppe mit ausgestreckten Armen – sodass diese die Wand berühren konnten – und mit bis auf die seitlichen Enden der Treppe ausgestreckten Beinen hingestellt.
Dabei hat Mag. a N. N. zu Mag. Anton Primschitz gesagt: „Sie schubsen mich. Hören Sie auf!“, woraufhin Mag. Anton Primschitz erwiderte: „Machen Sie die Beine nicht so breit.“ Diese Aussage bezog sich auf die oben erwähnte Haltung der Privatanklägerin, welche der Versperrung des Weges diente. Daraufhin hat der Angeklagte gesagt: „Das ist sie schon gewöhnt.“ Dieses Zitat stammt aus der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“, in dem es ebenso in einem Streitgespräch fällt. Konkret handelt es sich um folgendes Zitat: „Die sind´s
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gewohnt: ´s hört keiner drauf. <<O Eva, Eva!>>“. Diese Äußerung wurde von allen oben angeführten Personen wahrgenommen.
Kurz danach trafen zwei Polizeibeamte ein und haben die Situation beruhigt.
In seiner Beweiswürdigung bezog sich das Erstgericht auf eine glaubwürdige Verantwortung des Angeklagten, insbesondere hinsichtlich der getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten. Die Feststellungen zur Sache stützte es auf die übereinstimmenden Aussagen des Angeklagten, der Privatanklägerin sowie des Zeugen Mag. Anton Primschitz. In seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht weiter aus, dass entscheidungserheblich die Frage der unterschiedlichen Interpretation der Aussage des Mag. Anton Primschitz: „Machen Sie die Beine nicht so breit!“ und des Angeklagten „Das ist sie schon gewöhnt!“ durch die Privatanklägerin gewesen sei. Diese Aussagen seien in offensichtlichem Zusammenhang gestanden, da sie chronologisch direkt hintereinander geäußert worden seien. Die Privatanklägerin habe die Äußerung des Mag. Anton Primschitz nicht als beleidigend empfunden, die des Angeklagten jedoch schon.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass der festgestellte Sachverhalt nicht darauf schließen lasse, dass der Angeklagte die Privatanklägerin vorsätzlich beleidigt habe oder es im Sinne eines bedingten Vorsatzes zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden habe. Es ergebe sich nicht, warum Reinhard Eder die Privatanklägerin in ihrer Sexualität beleidigen hätte wollen. Vielmehr sei die Aussage des Angeklagten für sich alleine – ohne Zusammenhang zur Aussage des Mag. Anton Primschitz, da die Privatanklägerin dessen Äußerung nicht als beleidigend aufgefasst habe – nicht geeignet, eine Person zu beleidigen bzw. zu diffamieren. Der Angeklagte habe lediglich Wagner zitiert und würden keine diffamierenden Umstände vorliegen, da sich das Wagner-Zitat auf ein Streitgespräch in der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ bezogen habe und lediglich die Privatanklägerin die Aussage als Kommentar zu ihrer Sexualität aufgefasst habe. Eine Beleidigung in Bezug auf das Sexualleben der Privatanklägerin Mag.a N. N. könne daher aus dieser Aussage nicht geschlossen werden, zumal es im Vorfeld eindeutig nicht um dieses Thema gegangen sei. Außerdem sei vom Angeklagten glaubhaft dargelegt worden, dass er „Wagnerianer“ sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich eine rechtzeitig angemeldete und wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie wegen des Ausspruches über die Schuld ausgeführte Berufung der Privatanklägerin mit den Anträgen auf Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an das Erstgericht zur Neudurchführung des Verfahrens.
Die Berufung ist begründet, wobei bereits vor der öffentlichen Verhandlung über die Berufung feststeht, dass das Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen
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ist, da der geltend gemachte materielle Nichtigkeitsgrund vorliegt (§ 470 Ziffer 3 StPO).
Die Privatanklägerin hat als Berufungsgründe ausdrücklich Berufung wegen Nichtigkeit und Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld geltend gemacht und diese in weiterer Folge gemeinsam ausgeführt. Unter Punkt 4. ihrer Ausführungen macht die Privatanklägerin eindeutig den materiellen Nichtigkeitsgrund des § 281 Absatz 1 Ziffer 9 lit a StPO geltend, indem sie ausführt, dass ein wesentlicher Fehler des Erstgerichts in der unzutreffenden Feststellung des Bedeutungsinhalts des inkriminierten Tathergangs liege und die entsprechende Tatfrage daher nicht richtig geklärt worden sei.
Von einem die materielle Nichtigkeit bewirkenden Feststellungsmangel ist dann auszugehen, wenn ein Umstand nicht konstatiert wird, von dessen Vorhandensein nach richtiger Rechtsansicht die Beantwortung der Frage abhängt, ob sich der Angeklagte einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig gemacht hat (RIS-Justiz RS0099685). Hat das Erstgericht keine Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Aussage des Angeklagten getroffen, so steht damit nicht fest, ob der Betroffene überhaupt die Tat verwirklicht hat, womit der Nichtigkeitsgrund des § 281 Absatz 1 Ziffer 9 lit a StPO vorliegt (OGH 11 Os 18/07t).
Entscheidender Punkt der rechtlichen Beurteilung jedes äußerungsrechtlichen Falles ist die Auslegung der entsprechenden Äußerung. Der Bedeutungsinhalt von inkriminierten Äußerungen ist als Tatfrage (mit rechtlichen Elementen) im Wege der Interpretation aus der Sicht des Empfängerhorizonts nach dem Wortsinn im Gesamtzusammenhang aller Äußerungen und der Geschehnisse zu ermitteln, wobei auf den situativen Gesamtkontext abzustellen und bezogen darauf der Aussageinhalt einzuordnen ist (Rami in WK2 Vor §§ 111-117 StGB, Rz 12 und Rami in WK2 MedienG Präambel Rz 1a-1h; OGH 11 Os 18/07t; 11 Os 91/04). Für die Beurteilung einer Äußerung ist somit sowohl der Wortlaut als auch der ihr in der konkreten Situation zukommende Sinn maßgebend. Eine vom Wortlaut abweichende Bedeutung ist von dem mit der Lösung der Tatfrage befassten Gericht denkrichtig und erfahrungskonform zu begründen. Dabei ist der grundlegende Erfahrungswert in Rechnung zu stellen, dass der Sinn eines Ausdrucks je nach Situation, Vorverständnis, Schichtzugehörigkeit, Sprachgebrauch, Umgangsformen oder Bildungsgrad der Beteiligten oder anderen Begleitumständen durchaus unterschiedlich sein kann. Für eine formal einwandfreie Beweiswürdigung genügt es keineswegs, nur auf die semantische Bedeutung eines Ausdrucks hinzuweisen und solcherart der Sache nach zu unterstellen, dass der gleiche Ausdruck von jedermann unter allen Umständen im gleichen Sinn verstanden wird. Die Feststellung bloß des Wortlauts der zu beurteilenden Äußerung reicht daher für die Konstatierung deren Bedeutungsinhaltes nicht hin (RIS-Justiz RS0092588 [T20], [T27], [T35]).
Im gegenständlichen Verfahren hat das Erstgericht lediglich den Wortlaut der Aussage des Angeklagten festgestellt, nicht jedoch deren Bedeutungsinhalt. Die bloß im Rahmen der
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rechtlichen Beurteilung enthaltene Formulierung des Erstgerichtes, dass sich das Wagner-Zitat auf ein Streitgespräch in der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ bezogen habe und lediglich die Privatanklägerin diese Aussage als Kommentar zu ihrer Sexualität aufgefasst habe, ist diesbezüglich nicht ausreichend, weil daraus nicht entnommen werden kann, wie der Angeklagte selbst die von ihm getätigte Äußerung in der konkreten Situation gemeint hat und welchen Bedeutungsinhalt die anderen anwesenden Personen der Äußerung beigemessen haben.
§ 115 StGB schützt das Recht jeder beleidigungsfähigen Person auf achtungsvolle Begegnung durch andere Menschen. Als Tathandlungen kommen Beschimpfen, Verspotten, körperliches Misshandeln sowie Bedrohen mit einer körperlichen Misshandlung in Betracht (alternativer Mischtatbestand). Das Wesen der Beschimpfung liegt in der durch Beleidigungen ausgedrückten Missachtung eines anderen. Das Wesen der Verspottung, die sich von einer Beschimpfung oft nur schwer unterscheiden lässt, liegt vor allem im Lächerlichmachen oder im Verhöhnen eines anderen. Auch dadurch wird die Missachtung eines anderen ausgedrückt (Lambauer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch § 115 Rz 3, 16, 23f). Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes genügt bedingter Vorsatz, wobei dieser sämtliche Tatbestandsmerkmale umfassen muss. Zumindest nach Laienart muss der Täter daher erkennen, dass er beschimpft oder verspottet oder durch körperliche Misshandlung oder deren Androhung den anderen diffamiert. Nur dann, wenn durch die Äußerung des Angeklagten eine Missachtung ausgedrückt werden sollte, kommt Strafbarkeit iSd § 115 StGB in Betracht (Lambauer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch § 115 Rz 16, 35).
Im aktuellen Verfahren bleibt von vornherein unklar, von welchem Bedeutungsinhalt der Äußerung des Angeklagten das Erstgericht im Verfahren ausgeht. Es liegt daher ein Feststellungsmangel nach § 281 Absatz 1 Ziffer 9 lit a StPO vor.
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht daher den Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung nach den oben dargestellten Kriterien als Tatfrage im Wege der Interpretation aus der Sicht des Empfängerhorizonts nach dem Wortsinn im Gesamtzusammenhang aller Äußerungen und der Geschehnisse zu ermitteln haben. Auch zur subjektiven Tatseite sind Feststellungen zu treffen.
Das Erstgericht wird im zweiten Rechtsgang außerdem ausgehend vom festgestellten Bedeutungsinhalt zu prüfen haben, ob die inkriminierte Äußerung rechtlich als Beleidigung iSd § 115 StGB oder als üble Nachrede iSd § 111 StGB zu qualifizieren ist. Bei der Abgrenzung der üblen Nachrede zu Beschimpfungen oder Verspottungen iSd § 115 StGB kommt es auf die Bedeutung der Äußerung an. Wird ein konkretes Verhalten oder ein Charaktermangel vorgeworfen, so deutet dies auf eine üble Nachrede hin. Wenn der Täter jedoch dem Opfer
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nichts Konkretes vorwerfen will, sondern dieses nur heruntermachen will, liegt eine Beleidigung vor (Lambauer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch § 111 Rz 56; Rami in WK2 § 115 StGB, Rz 18a).
Insoweit schon vor der öffentlichen Verhandlung über die Berufung feststeht, dass das Urteil aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen ist, war in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 470 Ziffer 3 StPO in Stattgebung der Berufung der Privatanklägerin das Urteil wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Absatz 1 Ziffer 9 lit a StPO zur Gänze aufzuheben und die Sache an das Bezirksgericht Graz-Ost zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen.
Mit ihrer weiteren Berufung ist die Privatanklägerin auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Landesgericht für Strafsachen Graz, Abteilung 2
Graz, 14. März 2016
HR Dr. Harald Friedrich, Vizepräsident
Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG
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