Hält Schwedens Justiz Frauen für zurechnungsunfähig oder wie ist es möglich, dass aus einvernehmlichem Sex Vergewaltigung wird? Die Verhaftung von Julian Assange offenbart Schwedens Umgang mit Sexualität.
Diese Frau schien zu wissen, was sie wollte: In auffälligem Pink gekleidet, nahm sie in der ersten Reihe Platz, um dem Vortrag von Wikileaks-Chef Julian Assange, den er im August dieses Jahres in Stockhom hielt, zu lauschen. Sie war fasziniert von seiner Arbeit, dies hatte sie zuvor schon öffentlich in ihrem Blog kundgetan, machte unzählige Fotos von ihm und schaffte es schließlich, mit ihm und seiner Gefolgschaft nach dem Vortrag zum Essen eingeladen zu werden. Die 27-jährige Fotografin Sofia W. gab sich viel Mühe, um dem Objekt ihrer Begierde – Julian Assange – näher zu kommen. Sie zahlte ihm sogar die Fahrkarte, damit er sie in ihre Wohnung, die außerhalb von Stockholm lag, begleitete. Später wird sie erzählen, dass er im Zug einen desinteressierten Eindruck gemacht hatte, und als sie schließlich in der Wohnung angekommen waren, die Leidenschaft schon verflogen war.
Trotzdem hatte sie Sex mit ihm, mindestens einmal ohne Kondom. Ganz einverstanden war sie damit nicht, als das Kondom nicht mehr im Einsatz war, ist das schon Vergewaltigung?
Es war nicht das erste Mal, dass Assange bei seinem kurzen Besuch in Schweden sexuell aktiv war. Wenige Tage zuvor hatte er mit der 31-jährigen Anna A. geschlafen, der Pressesprecherin der Veranstaltungsorganisatoren. Zum Sex kam es in ihrer Wohnung, obwohl sie gar nicht geplant hatte, dort mit Assange Zeit zu verbringen. Denn es war vorgesehen, dass sie ihm die Wohnung als Quartier überlässt, während sie bei ihren Eltern wohnte. Sie wollte erst nach seiner Abreise wieder zurückkommen, doch entschied sie sich anders und kam früher. Offensichtlich war auch sie seinem Charme erlegen und es kam, wie es kommen musste. Während des Geschlechtsverkehrs riss jedoch das Kondom, womit sie nicht einverstanden war – war es in dem Moment eine Vergewaltigung?
(Fehlendes) Kondom wird zum Verhängnis
Jedenfalls sieht die schwedische Justiz Assanges Verhalten als Straftat und wollte ihn hinter Gittern sehen.
Im Interview mit AOL News sprach Assanges Londoner Anwalt Mark Stephens über die Anschuldigungen gegen seinen Mandanten und stellte fest, dass Assange wegen des Vorwurfs einer „leichteren Form der Vergewaltigung“ festgehalten werde.
Die schwedische Polizei hatte zunächst einen Haftbefehl ausgesprochen, der dann aufgehoben wurde, um dann aber wiederum zu einem internationalen Haftbefehl zu werden – deshalb auch der Auslieferungsantrag an Großbritannien und der Grund, warum Assange sich freiwillig gestellt hatte. Mittlerweile ist der 39-jährige auf Kaution freigelassen worden. Ob nun ein politisches Komplott dahintersteckt oder nicht - die Sache wirft ein schräges Licht auf die schwedischen Gesetze und den Umgang mit Sexualität.
Aus einvernehmlichem Sex wird Vergewaltigung
Aber zurück zu den Frauen, die Assange in diese heiße Lage brachten. Anna A., die politisch aktive Feministin, die eine Anleitung geschrieben hatte, wie man sich erfolgreich an Männern rächt, und Sofia W., die Künstlerin, die von Assange schwärmte und in ihrem Blog mit ihrer Begegnung prahlte (die Einträge wurden mittlerweile gelöscht).
Zwei Frauen, die trotz erwachsenen Alters nicht sicher sind, ob sie nun einvernehmlich Sex hatten oder nicht, und um diese Frage zu klären, zur Polizei gehen. Kann man von einer 31- bzw. 27-jährigen nicht erwarten, zu wissen, was sie tut? Anders gefragt: Warum demütigt eine erwachsene Frau sich selbst, indem sie sich um einen Mann bemüht, der offensichtlich kein tiefergehendes Interesse (außer Sex) an ihr zeigt? Sofia W. gab an, dass Assange auf dem Weg in ihre Wohnung sich lieber seinem Computer widmete als ihr. Trotzdem schlief sie mit ihm. Und als ob das nicht schon Demütigung genug wäre, macht sie die ganze Angelegenheit öffentlich. Nachdem die Frauen zufällig draufgekommen waren, dass sie beide das gleiche Schicksal teilten, entschied Anna A. ihre Leidensgenossin zur Polizei zu begleiten und wurde erst dort zur Mitanklägerin. Denn zunächst hatte sie gar nicht vor, Assange anzuzeigen.
One Night Stand: Verantwortungslos?
Wenn eine Frau sich nicht darauf verlassen kann, dass der Mann, mit dem sie schläft, gesund ist und sich auch am Tag danach bei ihr melden wird, wieso schläft sie dann mit ihm? Im Fall von Assange hat die Faszination für dessen Arbeit bei beiden Frauen sicherlich eine entscheidende Rolle gespielt. Doch auch Männer, die völlig durchschnittlich sind, ja sogar „Loser“ schaffen es immer wieder, zu einem „One Night Stand“ zu kommen. Wie kann eine Frau sich am nächsten Tag noch im Spiegel ansehen? Sich im Nachhinein an dem Mann zu rächen, ändert nichts an der Tatsache, dass man selbst verantwortungslos gehandelt hat.
(mf)
Foto: Espen Moe