Nichts ist Tabu im Ehebett - so wird das Sexualleben einer verheirateten Frau beschrieben, die von der Bestsellerautorin Charlotte Roches Buch „Schoßgebete“ handelt und in dessen Haut sie selbst schlüpft. Tabuisiert oder nicht, gefühlvoll, heiß, spontan, befriedigend (unbefriedigend - darf für eine Frau keine Option sein), einfallsreich und vieles mehr, wird trotz dem Versprechen der VIVA Moderatorin von den Eheleuten vermisst. Meine Damen und Herren, euer Majestät - Sex in der Ehe.
Zu diesem Artikelthema hat mich der Film „American Beauty“ inspiriert. Diesen schaute ich mir an, um meine Englischkenntnisse zu verbessern und war von dem Inhalt und den dort angesprochenen, oder besser gesagt zur Diskussion gestellten Themen einfach begeistert.
Der Hauptdarsteller des Filmes erlebt seine zweite Geburt, als er die junge, hübsche blonde Freundin seiner Tochter kennenlernt. Seine Sexphantasien kennen keine Grenzen und schließlich kommt es dazu, dass leichte Schwankungen der Decke seine mit ihm das Bett teilende Frau aufwecken und sie ihn beim Wichsen erwischt. Das bereits seit Jahren nicht mehr thematisierte Thema Sex wird dann in den Raum gestellt und erweckt in der Frau Eckelgefühle. Im Gegensatz zu ihr freut sich der Mann, seine „Funktionalität“ wieder entdeckt zu haben und führt seiner Frau ihre Depression und die damit zusammenhängende Sexverweigerung als Folge einer zwischen den beiden bereits seit Jahren nicht funktionierende Sexualität vor Augen. Als nach einiger Zeit und mehreren Sportstunden der willige Ehemann in seiner Frau wieder mal die Spuren der Lust entdeckt, fällt er über sie her. Banal wird dieser Ansturm abgetan. Er solle aufpassen, dass sein Bier nicht aufs einige tausend Euro teure Sofa ausgeschüttet wird. Von diesem Hausfrauen-Syndrom und einer offenbaren Bemutterung legt sich ihre, und somit auch gleich seine, Lust wieder.
Für die Recherche zum Thema begab ich mich in Foren und durchforstete die Meinungen und Äußerungen der realen Eheleute zum Thema „Sex in der Ehe“. „Zu wenig Sex in der Ehe?“, „Sex in der Ehe zum Verzweifeln“, „Sex in der Ehe. Jetzt mal ehrlich…“, „Sex in der Ehe – Auf der Suche nach der verlorenen Lust“ sind die häufigsten Titel der Diskussionen bei denen sowohl Frauen, als auch Männer teilnehmen, jedoch aus zwei unterschiedlichen Perspektiven.
Während die Männer ihre Bierfreunde durch die Erzählungen über Sexmangel in der Ehe zum Heulen bringen, rufen die Freundinnen einer sexunwilligen verheirateten Frau auf, Mitleid und Verständnis mit ihr zu haben. Durch die Jahre der Ehe wird dann die Letzte zu einem Stammgast in den Kirchen, wo sie beinahe jeden Tag eine Kerze (diesmal aus Wachs) aufzustellen pflegt. Diese ist ihr lieber, als sich dem Stress und Druck auszusetzen und nach den Ursachen zu suchen, warum ihr Sexualleben vom rauschenden Brunnen auf „Null“ zurückgeschraubt wurde. Ein Ehemann hingegen leistet lieber Überstunden, anstatt früher nach Hause zu gehen.
Trotz den schönen Hollywood-Geschichten, die prächtige Hochzeiten mit weißen Brautkleidern, Brautjungfern, einem Priester u.s.w. auf die Leinwand bringen, scheint ein reales Eheleben nicht gerade ein Honiglecken zu sein.
Seitensprung-fibel.de veröffentlicht eine Statistik die zeigt, dass während der ersten zehn Jahre einer Beziehung die Sexualität zunehmend abnimmt. 85% der Frauen und 79% der Männer bekennen sich als sexuell unzufrieden. Trotzdem dauert eine durchschnittliche Ehe 43 Jahre.
Unzufriedenheit im Bett wird mit Belastung und sogar Überbelastung im Alltag bei der Frau erklärt: Kinder, Haushalt, keine Zeit für sich selbst bzw. um die geliebten Tätigkeiten auszuüben, was Neues zu lernen, sich weiterzubringen.
Die Männer verschaffen sich Entspannung, indem sie immer wieder ins Sexhefterl oder auf Pornoseiten reinschnuppern und sich mal einen runterholen. Fremdgehen ist ebenfalls eine weit verbreitete und relativ beliebte Problemlösung, die jedoch sehr oft dazu führt, dass die Sexualität in der Ehe aufgefrischt wird.
Auch wenn die Sexualität in der Ehe nicht funktioniert, wird das Bild einer perfekten Familie nach außen getragen. „Nein Schatz, nicht heute. Ich habe Kopfweh“ (Frau) und Überstunden (Mann) werden auf die Seite gelegt, denn das Einzige was zählt ist sowieso die Liebe. Eine sexuelle Frau ist sehr sozial und pflegt daher immer viele Kontakte und propagiert in der Gesellschaft das ideale, wenn auch utopische, Familienbild. Wenn es in der Ehe auch noch Kinder gibt, wird sie vor allem seitens der Frau heilig bewahrt, denn ein Kind braucht - so die gesellschaftliche Vorstellung - beide Eltern und somit eine perfekte Familie.
Warum scheitert denn die Sexualität in der Ehe? Warum verzichtet eine Frau in der Ehe auf Sex? Warum will eine Frau in der Ehe laut den zahlreichen Kommentaren in den Foren „begehrt und gewollt werden“? Was hat Sex für die Beziehung mit der nicht funktionierenden Sexualität zu tun? Wenn Frauen den Männern nicht die Wahrheit sagen, dass diese sie nicht befriedigen sondern sie mit Phrasen wie „Macht nichts, hauptsache du bist bei mir“, „Wird schon werden“ etc. füttern und sie befriedigen wollen in der Hoffnung, dass Männer sie im Gegenzug zum Orgasmus bringen, kann dann die Sexualität in der Ehe überhaupt funktionieren? Warum sagen - trotz der relativ negativen Prognosen und Statistiken und eigener Erfahrung des Ehelebens - vor allem Trennungskinder, in der die Sexualität der Eltern schnell zu funktionieren aufgehört hat: „Wir werden es besser meistern als unsere Mutter“?
„Ich fürchte aus deinem Mann wirst du nie den tollen Lover machen, den du dir wünschst“. Finden Sie diesen Kommentar auf psychotherapiepraxis.at auch sexualitätsfremd? Warum wird dem Mann die Ficklust zugeschrieben und aus einer Frau eine keusche Gazelle gemacht, die fromm in einer Kirche eine Kerze aufstellt? Ist denn Sexualität ausschließlich männlich oder weiblich? Und werden die Antworten auf all diese Fragen das Sexualleben eines Ehepaares wieder auf die siebte Wolke hinaufbringen können?
Varvara Shcherbak