Die-Frau: Liebe Frau Stagl, was bedeutet die Mode für Sie? War es „Liebe auf den ersten Blick“?
Marina Sagl: Mode – im üblichen Sinne des Wortes - interessiert mich überhaupt nicht. Mode in unserer Zeit ist industriell gefertigt – durch den Massenkonsum geprägt – kurzlebig , mit dem Schwerpunkt: billiger – und zum Wegwerfartikel verkommen.
Seit ich denken kann, bin ich jedoch von Bekleidung fasziniert. Frauenbildnisse zu betrachten war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen als Kind. Geschichtsbücher waren in meiner Familie zahlreich vorhanden. So hatte ich früh Gelegenheit z.B. Katharina von Medici zu betrachten. FRAUEN und MACHT ist ein Thema, das mich interessiert. Und dass Bekleidung ein Bekenntnis ist – fashion is confession. Die Wahl der Kleidung sollte eindeutige Botschaften aussenden. Das erspart Frauen viele Missverständnisse. Wenn sie ihre Karriere und ihr Geld – ihre Macht – in einer Führungsposition in Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung oder Kultur bekleiden wollen - bekennen sie sich, positionieren sie sich in einer klaren, sachlichen Bekleidung.
Das Blättern in Geschichtsbüchern ist ihnen hier ein guter Ratgeber – ein weit besserer als Modejournale, denn diese vermitteln ihnen auf mehr oder weniger subtile Weise immer, dass Sie NICHT o.k. sind, sie sind sicher zu dick, wenn nicht das – dann zu alt…. Immer wird ihnen ihre Unzulänglichkeit vor Augen geführt und das Magazin hat immer einen Rat für sie… Modemagazine sind die fiesen Gouvernanten der Frauen, die doch immer nur eines im Sinn haben: wie und um welchen Preis verkauft sich Frau an den Mann- was an sich weder gut noch schlecht ist. Sie sollten nur wissen, was sie tun. Dass entsprechende Bekleidung Tatsachen schafft, das sah ich von Kind an in den bebilderten Geschichte und Kunstbüchern – und auch dass Machtpositionen für Frauen viel häufiger vorhanden waren und sind, als uns erzählt wird.
So gesehen war es Liebe auf den ersten Blick – und dieser Liebe blieb ich stets treu.
Die-Frau: Wie haben Sie angefangen?
Marina Sagl: Hah – jedes Menschen Leben und somit seine berufliche Karriere beginnt mit der Geburt. Ein kreativer Mensch – ein schaffender Mensch zeigt, je wahrhaftiger er ist, desto intensiver immer die Essenz seines Lebens. Kreativität ist eine Lebenshaltung – und ich habe viele Wege versucht, um diese Lebenshaltung auszudrücken, in der Malerei, Bildhauerei, Lyrik, Schmuckgestaltung – besonders aber auch in meinen Managementtätigkeiten in der Wirtschaft. Erfolgreiche Wirtschaftsprozesse sind eine große Herausforderung an die kreative Kraft in einem Menschen. 2005 gründeten mein Mann Christian Rauchenwald und ich den Modelabel VENI CREATRIX – fashion is confession. Es war ein ganz logischer Schritt in unserem Lebensfluss. In den Jahren 1999 bis 2004 hatte ich mich intensiv mit Schmuckdesign beschäftigt – war von der Porzellanmanufaktur Augarten beauftragt, mehrere Schmuckkollektionen zu entwerfen. Diese waren sehr erfolgreich und wurden auch in Tokio angeboten.
Meine Schmuckdesignphase war ein sehr erfolgreicher Weg. Dann brauchte ich eines Tages für eine Präsentation die entsprechenden Kleider als „Unterlage“ . Was mir gefiel, war zum kaufen zu teuer… so habe ich es selbst gefertigt. Meine ersten Schritte im fashion-design. Die Kundinnen waren hingerissen. Soviel Klarheit – die Bekleidung war ganz einfach geschnitten – ich hatte sie auch selbst genäht – das war bestechend. Meine ersten Bekleidungsstücke wurden verkauft. Das war die Geburtsstunde von VENI CREATRIX – fashion is confession.
Die-Frau: Wo zeigen Sie Ihre Kollektionen?
Marina Sagl: In absehbarer Zukunft in einem wundervollen web-store.
7 Tage 24 Stunden geöffnet.
Das ist der Trend der Zeit. Und es ist für uns ganz spannend und aufregend – denn wir gehen somit wieder in eine neue Zeit mit VENI CREATRIX – fashion is confession. www.venicreatrix.com
Die-Frau:Was halten Sie von der Vienna Fashion Week?
Marina Sagl: Wir nützen die Vienna Fashion Week auf unsere Art – und nach 3 Jahren wissen wir, was sie uns bringt: die Chance, die jeweils aktuelle VENI CREATRIX Kollektion auf einen Laufsteg zu bringen, professionell abzufotografieren und ein sehr gutes Video der show zu bekommen. Hier passt das Preis-/ Leistungsverhältnis optimal. Wir buchen die Show, machen am Tag der Show das fitting mit den 12 Models, die im Preis inkludiert sind, bringen noch 2, 3 unserer Hausmannequins mit, kommen dann zu unserer Show, zeigen immer mehr als 40 Outfits, bleiben bis zum Ende unserer Show und lassen uns beglückwünschen; und dann gehen wir wieder.
Die-Frau: Wie beginnen Sie Ihren Arbeitsprozess?
Marina Sagl: Ich liebe es, die Dinge zu begreifen. Das bedeutet für mich im wahrsten Sinne des Wortes das Material zu begreifen – befühlen. So wird auch spürbar, was der Stoff will, welches Potential ein Material hat. Das ist zumeist meine Methodik – ich habe aus der Summe meines Lebens viele Ideen, die spontan abrufbar sind, dann sehe ich einen Stoff, ein Material – erkenne das Potential des Stoffes im Einklang mit meiner Idee, und dann mache ich entweder eine ganz schnelle, sehr technische Skizze für die Schneiderin, oder ich stecke das ganze auf einer Puppe, oder ich schneide es schnell zu und nähe es selber mit der Hand - manchmal nur als Entwurf, manchmal gleich als fertiges Couture-Stück.
Die-Frau: Wo finden Sie Ihre Inspiration?
Marina Sagl: Überall, besonders in der Natur – für Plissee ist das Betrachten von Pflanzen spannend – in dem Augenblick, bevor sie sich entfalten, ein Sandstrand, eine Wolke, ein Museumsbesuch, Geschichtsbücher , ein Spaziergang durch die Stadt, vor die Haustüre gehen … von überall kann Inspiration kommen…. Ich bin durch und durch ein kreativer Mensch – ich bin offen – eine Inspiration zu finden ist für mich ganz leicht – sie dann in eine gelungene Kreation umzusetzen, das ist die eigentliche Kunst.
Die-Frau: Was halten Sie von der Modeszene in Österreich?
Marina Sagl: Ich bin sehr zurückgezogen , ich kenne die Szene kaum. Sie gehört zu den Dingen, die mich nicht inspirieren .....
Emilie Flöge – und deren Salon – das ist etwas, wofür ich wirklich Wertschätzung empfinde. Sie war eine sehr gute Kauffrau – hatte in den Glanzzeiten 100 Schneiderinnen beschäftigt. Josef Hoffmann hatte Möbel für ihr Geschäft entworfen – das beeindruckt mich. Die meisten Menschen kennen Emilie Flöge jedoch nur als „Muse“ von Gustav Klimt. Das sagt wenig über Emilie – aber viel über die Betrachter/innen.
Die-Frau: Warum der Name „VENI CREATRIX“?
Marina Sagl: Einem Label, dass Bekleidung erzeugt, einen lateinischen Namen zu geben, ist ein Statement. Der Name ist international – er ist sperrig und nicht jede kann ihn aussprechen. Die wörtliche Bedeutung ist vielen unklar (lat.: KOMM SCHÖPFERIN) . Es ist die Hinwendung an die weibliche Schöpferkraft.
Die-Frau: Was stellt „VENI CREATRIX“ dar?
Marina Sagl: Eine Marke, die Tradition und Avantgarde verbindet. Und die hier- in diesem Kulturraum Österreich – Ungarn – Deutschland produziert und diese Wertschöpfungskette bedient.
Die-Frau: Worum geht es Ihnen in Ihren Designs? Was ist Ihnen wichtig?
Marina Sagl: Klarheit. Souveränität. Intelligenz.
Die-Frau: Wer ist die „VENI CREATRIX“- Frau? Wie sehen Sie sie?
Marina Sagl: Klar. Souverän. Intelligent. Top-Jobs. Fast immer sind die Frauen Akademikerinnen – das hat sich einfach so entwickelt.
Immer sind es Frauen, die auf eigenen Beinen stehen und etwas bewegen. Wir begleiten Staatssekretärinnen auf dem Weg zur Ministerin.
Wir bekleideten eine Frauenministerin für Ihre Angelobung, VENI CREATRIX begleitete und bekleidete eine österreichische Universitätsprofessoren. Auf dem Weg zu ihrem Lehrstuhl nach Cambridge. Die Schauspielerin Johanna Wokalek trug bei der Uraufführung eines Stückes der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in der Philharmonie Essen ein Kleid von VENI CREATRIX – das sie sich selbst ausgesucht hatte. Inernational tätige Architektinnen bekleiden sich mit VENI CREATRIX bei Ihrer Hochzeit.
Die Frauen sind verschieden alt, sehen ganz unterschiedlich aus – aber sie eint doch ein besonders Merkmal: Sie sind sehr eigenständig, erfolgreich und souverän.
Die-Frau: Sie machen den Schmuck auch?
Marina Sagl: Ja, die Schmuckdesignerin ist die ältere Schwester – momentan komme ich kaum dazu.
Alles ist Handarbeit – und sehr aufwendig in der Fertigung.
Die-Frau: Welche Materialien verwenden Sie?
Marina Sagl: Platin, Gold, Silber, Diamanten – aber ebenso Plastikfäden, Kieselsteine und was sich anbietet.
Die-Frau: Was sind Ihre Essentials?
Marina Sagl: Klarheit. Souveränität. Der breite Bogen, in dem sich meine Gedanken bewegen: ich interessiere mich für Geologie,Ur- und Frühgeschichte ebenso wie für Astronomie, Genforschung, Physik, Geschichte, Philosophie und Politik. Mein Horizont spannt sich über viele Jahrtausende. Ich bin verspielt und gleichzeitig sehr zentriert. Vergangenheit ist für mich ebenso faszinierend wie Künftiges. Was zählt, ist der Augenblick.
Die-Frau: Machen Sie Mode nur für Frauen oder für Männer auch?
Marina Sagl: Eben habe ich wieder ein Libeskind: die Entwicklung einer Dirigenten/innen-Kollektion.
Klassische Musik liebe ich auch sehr – hatte ich vergessen bisher zu sagen. Ich bin ein Wagner-Fan.
Als Wiener Designerin muss man eigentlich eine Kollation für Dirigenten/innen machen . Da sind auch Stücke für Männer dabei. Aber es sind wenige, und es wird dauern.
Die-Frau: Was halten Sie von der Mode im allgemeinen?
Marina Sagl: Es gibt immer wieder wunderschöne Dinge – aber Sie müssen mir begegnen… Meine Interessen sind viel weiter gesteckt …
Die-Frau: Hat sich etwas, ihrer Meinung nach, in der Modeszene verändert? Oder sind die jungen Frauen noch immer unter starkem Druck immer dünn, schön etc. zu sein?
Marina Sagl: Wenn ich die Modezeitschriften durchblättere – und ich habe eine Sammlung noch von meiner Großmutter, meiner Mutter - so sehe ich, dass die Mannequins 1920 viel üppiger waren… Aber die Frauenzeitschriften, schon jene aus dem 19. Jahrhundert, vermitteln immer das gleiche: du bis nicht o.k., du musst dieses oder jenes … Faszinierend zu sehen, wie viele, auch sehr intelligente Frauen, sich hier dem Diktat einer strengen, missbilligenden Richterin unterwerfen …
Die-Frau: Welche Designer respektieren Sie?
Marina Sagl: Coco Chanel. Myake.
Die-Frau: Was macht Sie glücklich?
Marina Sagl: Das Zusammensein mit meinem Mann. 2012 wurde eine chronische Erkrankung festgestellt.
Das schärft den Geist und das Leben.
VENI CREATRIX lieben wir beide sehr. Die Kollektionen haben wir teilweise miteinander entwickelt. Wir lieben das. Es stärkt uns. Schönheit und gute Arbeit sind ein Heilmittel und sollten von der Krankenkasse verordnet werden.
Die-Frau: Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Marina Sagl: Die Gesundheit meines Mannes und den virtuellen Store.
VENI CREATRIX geht neue Wege. Wir eröffnen in Kürze einen 7 Tage 24 Stunden store. Das entspricht dem Zeitgeist.
SB
Titelbild: "Kostbar und rar"
MADE in A
9. April 2014
facebook.com/venicreatrix