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Kinder identifizieren sich mit Figuren aus Filmen
28.02.2012

„Ich bin im Film Isabel. Und wer bist du?“, fragte siebenjährige Elena beim Frühstück am nächsten Tag nach dem Kinobesuch von „Hugo Cabret“. „Muss man denn unbedingt eine Charaktere von einem Film sein?“, erwiderte Maria (Name von der Redaktion geändert).

Somit stellt sie die folgende Frage zur Diskussion: Welche Bedeutung haben Filme und Kinematographie in der Gesellschaft und wie verändert sich diese Bedeutung und von welchen Bedingungen und zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Epochen ist die Veränderung abhängig?

Wenn man einen Kinosaal nach dem Kinobesuch nicht im Schweigen und mit gesenktem Kopf verlässt, sondern wenn der Film heftige Diskussionen auslöst, ist das durchaus ein Zeichen dafür, dass es an den Kinokassen klingeln wird. Bespricht man einen Film, analysiert ihn im Detail und nimmt die Charaktere und ihre Rollen unter die Lupe, schließt man Parallelen mit der „realen“ Welt und entscheidet für sich selbst, ob sich der Film mit den gesellschaftlichen Vorstellungen auseinandersetzt - und ob sie diesen widrig oder würdig sind. Vor allem Kindern hilft diese Methode, die Welt wahrzunehmen und für sich die nötigen Schlüsse aus den verschiedenen Situationen und Ereignissen zu ziehen.



Der derzeitige Hit von Martin Scorsese über einen 12-jährigen Jungen, der nach dem Tod seines verwitweten Vaters auf einem Bahnhof lebt und seine Existenz mit Gaunereien sichert, hinterfragt die bedeutenden Fragen, wie Einsamkeit und die Suche nach der eigenen Bestimmung. Kinder lösen die Einsamkeit, indem sie sich Freunde erfinden.

Hugo (Asa Butterfield) will einem von ihm reparierten mechanischen Menschen Persönlichkeit geben. „Weil ich mir dachte, ich bin dann weniger allein.“, so die Erläuterung seiner Idee hinter seinem Vorhaben, als dieses zu scheitern scheint.  Aus seiner Einsamkeit wird der Junge von Isabel (Chloe Grace Moretz) gerettet, indem sie, fasziniert von einem möglichen Abenteuer, ihm ihre Freundschaft zusichert. Isabel hat eine Lebensgeschichte, die eine außergewöhnliche ist: Noch als Baby hat sie ihre Eltern verloren und deswegen findet sie ihre eigene Identität nicht. Da sie die Leute, die ihr das Leben geschenkt haben, nicht kennt, findet sie die eigene Bestimmung nicht.


 

Neben den Sorgen der zwei Protagonisten, die „keine Kindern mehr, jedoch noch keinen Erwachsenen“ sind, die auf der Leinwand sehr emotional und mit einem riesigen Einfühlungsvermögen - mit starkem Zusammenhalt und für einander einstehend - gemimt werden, werden auch die Probleme und Lösungen der Erwachsenen thematisiert:

Was kann eine Erwachsenenseele heilen?
Was motiviert einen Menschen dazu, wieder Freude am Leben und seinen Tätigkeiten zu entdecken?


Im Film kommt zusätzlich zu der Geschichte von Hugo die Lebens- und Schaffensgeschichte von Georges Méliés zur Sprache, einem begeisterten Filmemacher, dessen Werk in den Kriegszeiten mangelndes Interesse auf allen Seiten erleben musste.

Ein Meister ohne Zuschauer verliert seine Motivation, weiter Werke zu produzieren. Deswegen verkaufte George Méliés seine Videoaufnahmen und kaufte sich dafür einen kleinen Spielzeugladen, um so seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Besser als Arbeitslosigkeit, jedoch nicht der Lebensweg, den er sich gewünscht hätte. Seine Kinoaufnahmen, die im Laufe der Jahre zu seinem Lebenswerk geworden sind, wurden - wie paradox (!) - eingeschmolzen und daraus wurden dann Absätze für Schuhe produziert. Ein einziger Film überlebte und wurde zu einem wertvollen Museumsexponat und einer Hoffnung auf die Rettung der gekränkten Seele des Künstlers.


Im „Raum fliegender“ Schnee und mit weiteren Täuschungen der Wahrnehmung des Zuschauers wurde "Hugo Cabret" im Annenhof Graz durch die 3D-Brille ohne Zweifel zu einer Faszination.

Meine Annahme, dass alleine aus den Bildern des Filmes „Hugo Cabret“ ein Zuschauer, für den Deutsch eine Fremsprache ist, die wichtigsten Inhalte und Themen herausziehen könnte, wurde durch eine Frage meiner Mutter - die nur Russisch spricht - widerlegt. Nachdem die Lichter im Kinosaal wieder aufleuchteten, sagte sie: „Ich habe leider nichts verstanden. Kannst du es mir bitte erklären?“. Den restlichen Abend befasste sie sich mit der Frage, ob denn die Kinder die Sprache des Filmes verstanden haben. Fasziniert hat mich im Folgenden nicht nur, dass sie die Inhalte verstanden, sondern, dass sie sich sogar umfangreich damit befassten.

„Hugo Cabret“ ist freigegeben ab 8 Jahren und läuft in den österreichischen Kinos ab 10.2.2012.

Fotos: Paramound Films
            GK Films

 


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