Das Leben ein Fest > Zu sehen
Banaler Sex vs. Gefühlsduseleien
23.01.2019
Sprüht man nur, solange man jung ist, Lebensfreude aus bzw. bleibt pragmatisch und hat man im Alter nur noch Sehnsucht nach Romantik und Gefühlsduseleien? Daniel Glattauer bringt uns wiederum analog zu Woody Allen auf die Gedanken über Beziehungskomplikationen, -konstellationen, und das mit einem Hauch an Skepsis und Witz, der nicht nur die Lachmuskeln trainiert, sondern einen gleichzeitig zum Nachdenken über die eigene Situation bringt. 
 
Gleich zweimal nimmt Daniel Glattauer in seinem Stück „Vier Stern Stunden“, in der Inszenierung von Michael Kreihsl, eine ungleichartige Beziehung unter die Lupe. Zuerst Frederic Trömerbusch (genial  von August Zirner gespielt) und Lisa (lebhaft von Martina Ebm verkörpert), dann Frederic Trömerbusch und Mariella Brem (Susa Meyer). Lisa hat Frederic ausgesucht, weil sie in ihm einen Mann gesehen hat, der ihr Wissen aneignen kann und welcher immer noch Lebensfreude versprüht. Beides ist mit den Jahren verschwunden, so zumindest das Gefühl von Lisa. Auch wenn Frederic alles für sie macht und ihr jeden Wunsch erfüllen will, so reicht ihr das schon lange nicht mehr. Auch ihre leiblichen Wünsche sind vernachlässigt worden. Während sich Frederic nach Streicheln, langen Reden und Gefühlsduseleien sehnt, bleibt Lisa pragmatisch und will nur das eine: „Einen banalen Sex ohne Vorspiel“. Auch ein getrenntes Bett ist für sie kein Zeichen einer Beziehungskrise, sondern ein Zeichen von Eigenständigkeit und Modernität. Was die anderen darüber denken, interessiert sie nicht die Bohne. Im Gegensatz zu Frederic, welcher aufgrund seiner Berühmtheit sich jeden Schritt genau überlegen muss, denn Nachruf und Nachrede sind für ihn das übelste Übel. Auch wenn Lisa sich sicher ist, dass Frederic ihre Bedürfnisse nicht befriedigt, so ist sie unglaublich zögerlich beim Schlussmachen, was Frederic im Endeffekt wütend macht und er sie rauswirft. Lisa bleibt natürlich nicht lange alleine, sondern findet sehr rasch Gesellschaft in dem Hoteldirektor David-Christian Reichenshoffer (Dominic Oley). Beide brauchen nicht allzu viel Zeit, um einander nahe zu kommen. Sowohl das Vorspiel als auch das Kennenlernen werden auf das Kleinste reduziert. So übernimmt Banalität wieder einmal die Zügel, indem sich zwei Gleichaltrige nach dem gesellschaftlichen Wunsch und den gesellschaftlichen Vorstellungen treffen. 
 
 
 
Die Beziehung zwischen Professor Trömerbusch und Frau Brem beginnt mit einem Respektverlust seitens Frau Brem Professor Trömerbuschs gegenüber und einem Respektaufstieg seitens Professor Trömerbusch Frau Brem gegenüber. Während die noch anfangs begeisterte Anhängerin von Professor Trömerbusch in ihm einen selbstsüchtigen Zyniker erkennt, steigt mit ihrer Haltung und ihrer direkten Rede ihre Stellung zu einer respektierten Person seitens Professor Trömerbusch. Anders wird es, als Frau Brem entlassen wird und Professor Trömerbusch verlassen wird. Auf einmal werden aus zwei starken Persönlichkeiten zwei Gefühlsduselige. Auch wenn Mariella jünger ist als Frederic, so ist sie ein kompletter Antipode von Lisa, welche nichts von Gefühlsduseleien und langen Vorspielen hält. Auch Ehrlichkeit sich selbst und den anderen gegenüber ist Mariella ein Fremdwort. Während Lisa dazu steht, was sie ist, was sie will und was sie tut, belügt sich Mariella selbst, indem sie von Literatur und seelischer Verbindung erzählt anstatt David-Christian Reichenshoffer zu gestehen, dass sie in seinen Vater verliebt war und hegte Eifersucht auf seine Mutter. 
 
 
 
Ganz treffend spricht Daniel Glattauer das Thema der Literatur an. Literaturabende langweilen das Publikum, weil diese wenig persönlich sind. Keiner interessiert sich für hochwissenschaftliche Reden, sondern will Gefühle auf der Bühne kochen sehen, Emotionen, persönliche Erfahrungen erzählt und gezeigt bekommen. Auch sagt er ganz klar, was ein Buch bedeutet: eine Selbsterfüllung  des Autors. Nur wer leidet, kann ein gutes Buch schreiben, welches auch verschlungen wird. Gefühle, Emotionen, unerfüllte Liebe, Träume, Wünsche, Sehnsüchte – das alles befindet sich in einem Buch, anonym und in andere Rollen verpackt. Nur solche Bücher bewegen und berühren. 
 
„Vier Stern Stunden“ ist ein geniales Stück über die alltäglichen Sachen, verpackt in Witz und Zynismus, welches uns auf Gedanken über unser eigenes Leben bringt. 
 
VS
 
Fotos: Rita Newman
 

die-frau.at