Das Leben ein Fest > Zu sehen
Alte Männer, junge Frauen
22.12.2018
Die Handlung der Operette „Polnische Hochzeit“ von Joseph Beer, die Inszenierung an der Grazer Oper übernahm Sebastian Ritschel, ähnelt einem Märchen. Alleine schon der Liedtext „Herz an Herz, Hand in Hand, wird die Welt zum Märchenland“ trägt wie ein goldener Leitfaden durch diverse Medien und Prospekte. Gefeiert wird die Liebe, Kraft derer jedes Hindernis überwunden wird und welche gegen jede Ungerechtigkeit ankämpft. Doch die Musik macht, und ist es auch die zentrale Aussage in der Operette, die Endarie, gesungen von Markus Butter in der Rolle des Grafen Staschek Zagorsky.
 
„Doch kommt man langsam in die Jahre 
Dann kriegst du alle Frauen satt
Es streut das Alter Silber in die Haare
Wenn überhaupt man die Haare noch hat
Waren dir auch tausend Frauen gewogen
Es kommt die Zeit, da siehst du´s ein
Sie haben alle dich betrogen
Es bleibt dir treu nur dein Hund und der Wein“

(„Doch kommt man langsam in die Jahre“)
 

Der Text ist so betörend, dass jedem der Atem stockt und er einen zum Nachdenken bringt. Geprägt wird die Arie durch das Bühnenbild von Martin Miotk aus einem bühnengroßen, halbabgebrannten Streichholz, welches Martin Butter besteigt. 
Graf Staschek Zagorsky (genial von Markus Butter gespielt), der bereits fünfmal verheiratet war, zwingt nun den Baron Mietek Oginsky, welcher beim Grafen Schulden hat, ihm seine junge Tochter Jadja zur Frau zu geben. Dass sein Neffe, Graf Boleslav Zagorsky (Szabolcs Brickner), Jadja, seine Kinderliebe, ebenfalls heiraten will, macht dem Grafen noch mehr Ansporn, diese für sich zu gewinnen. Das Jadja sich für ihre Kinderliebe Boleslav entscheidet und ihrer Heirat mit seinem Onkel nicht zustimmt, stört allerdings den Onkel von Boleslav nicht, Jadja um jeden Preis auch ohne ihr Einverständnis durch List zu heiraten. Jadja opfert sich dem Grafen Staschek Zagorsky auf, um Boleslav von dem Gefängnis zu retten, da dieser als geflüchteter Freiheitskämpfer illegal ins Land eingereist ist. Dass Jadja sich für Boleslav und Suza für Casimir, die jeweils gleichaltrig sind, entscheiden, ist banal und gesellschaftskonform, spielt im Verlauf der Operette bzw. zum Schluss dann eine Rolle. 
Es kommt zu Versuchen, Jadja vor der Heirat mit dem Grafen Staschek Zagorsky zu retten, welche alle scheitern. Doch das Happy End á la Hollywood ist vorprogrammiert. Suza, charismatisch von  Mareika Jankowski gespielt, rettet die junge Liebe, indem sie den Grafen Staschek Zagorsky selbst heiratet. Das Unglück von Jadja kommt ihr zugute und eröffnet ihr die Möglichkeit, dem Grafen Staschek Zagorsky einen Streich zu spielen. Denn nicht vorwiegend die Liebe von Jadja und Boleslav wollte sie mit der Heirat mit Staschek retten, sondern ihm und sich selbst beweisen, dass sie beim Überlisten die Königin ist und diesmal die Krone trägt. Kein Verständnis für das Spiel von Suza zeigt ihr Verlobter Casimir von Kawletzky (genial und wie immer unterhaltsam von Ivan Oreščanin gespielt). Suza spielt ihr Spiel mit dem Grafen Staschek Zagorsky weiter, übt Macht über ihn aus, bringt ihn zum Verzweifeln, sodass er sie darum anbettelt, sich von ihm scheiden zu lassen, was Suza einen zusätzlichen Punkt auf ihrer Rechnung bringt. Doch waren beide unausgesprochene Sturschädel, so wurde der Wille des Grafen nun endgültig gebrochen. Was ihm bleibt ist nur die Arie am Ende der Operette: „Doch kommt man langsam in die Jahre, dann kriegst du alle Frauen satt…“. So scheint das Thema des Alterns und des Vorhandenseins des Interesses an den Frauen, jedoch des Fehlens des Interesses von den jüngeren Frauen an den älteren Männern, ein Thema für Joseph Beer gewesen zu sein, welcher selbst mit 49 eine junge Münchnerin geheiratet hat. Ein am Nebensitz gesessener ältere Herr hat die ganze Vorstellung lang gelacht, bei der Endarie „Doch kommt mal langsam in die Jahre, dann kriegst du alle Frauen satt…“ verkniff er sich allerdings das Lachen. 


Interessant ist die Figur von Suza, welche in einem männerdominierten Haushalt aufwächst, wo sie allerdings eine dominante Rolle spielt. Baron Mietek Oginsky, unterhaltsam von Josef Forstner gespielt, ist ein Nichtsnutz mit großer Klappe. Solange Suza fort ist, kann er groß reden und träumt, auf ihre hart erarbeiteten Kosten ins Casino zu fahren. Kaum ist Suza im Raum, bringt er kein Wort aus dem Mund. Auch kann er dem Grafen Staschek Zagorsky nicht widersprechen und „verkauft“ ihm wortwörtlich seine Tochter, was er selbst nicht als richtig empfindet, nur hat er eben keinen so starken Charakter wie Suza. So symbolisiert Suza eine starke Frau, welche im Haus und überall wo sie hinkommt das Sagen hat. Wenn sie nicht das letzte Wort hat, stört es sie und sie muss die Situation sofort ändern. Andy Besuch kleidet sie als Dompteurin und verstärkt somit ihre dominante Rolle. Als Suza die Arie „Katzenaugen“ mit Casimir singt, verwandelt sie sich kurzzeitig in eine Burlesque-Tänzerin. 
Die Kostüme von Jadja sind mit traditionellen Mustern und Schnitten gesättigt. Auch der Chor und das Ballett wurden in Plastikkostüme mit Bemalung mit Stickereien gerhüllt. 
 
 Bezaubert hat am meisten die Musik von Joseph Beer.
Ein Glück, dass die Operette nach langem Verweilen ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Denn Joseph Beer selbst, nachdem er seine Familie im Krieg verloren hat (Schwester, Vater und Mutter), verweigerte die Aufführungsrechte seiner Werke freizugeben. Seiner Tochter sei Dank, dass seit 2011 dem Publikum diese Geschichte von Patriotismus, von Weiblichkeit und Männlichkeit, umwoben von bezaubernden Klängen von Joseph Beer, zugänglich ist. 
 
vs

Fotos: Werner Kmetitsch

die-frau.at